Mutter sein, berufstätige Mutter, „nur“ Teilzeit arbeiten?
In der Schwangerschaft habe ich ein
Buch gelesen, das mich schwer beeindruckt hat. Der Titel Papa kann auch stillen ist zwar blöd, der Inhalt aber interessant: Das
Autorenpaar beschreibt seine Erfahrungen, Elternschaft wirklich
gleichberechtigt zu leben, also alles nach dem 50:50 Prinzip zu
regeln: Kinderbetreuung, Hausarbeit, Erwerbsarbeit, freie Zeit für
jedes Elternteil...Das las sich nach ganz schön viel
Organisationsaufwand, schien sich aber zu lohnen. Bei Stefanie Lohaus
und Tobias Scholz jedenfalls ging das Konzept auf. Das hat mir
gefallen. Mehr noch: Das konnte ich mir auch für uns vorstellen!
Nicht 1 zu 1 natürlich, denn mir war klar, dass sich Lebens- und
Arbeitsmodelle nicht einfach so kopieren lassen und jede Familie
ihren eigenen Weg suchen und finden muss. Aber unser Familienleben so
gleichberechtigt wie möglich zu gestalten, das wollten wir
versuchen.
Bei meinem Arbeitgeber habe ich 2 Jahre
Elternzeit angemeldet, mir aber die Option offengehalten, schon sehr
viel früher wieder in Teilzeit einzusteigen. Vielleicht sogar schon
zwei Monate nach M.s Geburt, zum neuen Schuljahr. Erst mal nur für
einen Nachmittag, aber immerhin. Mit einem Freiberufler als Mann, der
sich seine Zeit frei einteilen kann, sollte das auf jeden Fall
möglich sein. Festlegen wollten wir uns allerdings noch nicht. Erst
einmal sollte das Kind auf die Welt kommen.
Sie kam auf die Welt, unsere M., und
stellte unser Leben ganz schön auf den Kopf. Das meine ich gar nicht
negativ, im Gegenteil. Sie zeigte uns nur, dass viele der
Vorstellungen und Pläne, die wir uns als werdende Eltern
zurechtgelegt hatten, in der Realität nicht umsetzbar waren.
Ich könnte jetzt viele Absätze mit
Gründen füllen, warum ich den frühen Job-Wiedereinstieg dann doch
gecancelled habe, warum ich als voll stillende Mama nicht nach zwei
Monaten wieder arbeiten konnte. Das lasse ich jetzt mal. Viel
wichtiger ist in diesem Zusammenhang wahrscheinlich ohnehin, dass ich
– als M. ein paar Wochen auf der Welt war – nicht so früh wieder
arbeiten wollte. Warum nicht? Weil ich noch nie eine
sinnvollere Aufgabe hatte als meine jetzige.
Damit liege ich offenbar voll im Trend.
Zumindest der Zündfunk-Generator-Sendung Rockerbraut? Nein, Mutter vom 23.10. zufolge, die ich gestern Abend als Podcast angehört habe
(und die der Auslöser ist, dass ich diesen Post überhaupt
schreibe). Immer mehr Frauen verzichten demnach bewusst auf nahtlose
Karrieren und widmen sich stattdessen der Familie. Und wenn sie dann
doch irgendwann wieder arbeiten, dann „nur“ Teilzeit. Das wird in
der Sendung sehr kritisch bewertet: als konservativer Rückschritt,
Altersarmut vorprogrammiert.
Dass sich Frauen finanziell absichern
müssen – insbesondere mit Blick aufs Alter – das ist notwenig
und erstrebenswert. Dass sie den Anschluss an die Arbeitswelt nicht
verlieren sollten, auch. Unbedingt! Aber wovon reden wir hier
überhaupt? Von 6 Monaten, zwei Jahren, drei Jahren Familienauszeit?
Ich glaube, für die allermeisten Frauen stellt sich die Frage heute
gar nicht mehr nach einem Leben nur für die Familie oder nur
für die Arbeit. Irgendwie müssen wir beides zusammenkriegen. Und
das tun wir auch. Doch angesichts der Tatsache, dass wir
Anfang-Dreißigjährigen ohnehin bis wahrscheinlich 70 arbeiten und
unsere Renten trotzdem nicht gesichert sein werden, kann ich es nicht
schlimm finden, sich ein paar Jahre lang nur der Familie zu widmen.
Ganz im Gegenteil. Wir wissen heute, wie viel wir Kindern in den
ersten Monaten und Jahren ihres Lebens an Basis, an Urvertrauen
mitgeben können. Ketzerisch gefragt: Ist das nicht sogar eine
sinnvollere „Investition“ als ins Bruttoinlandsprodukt?
Mich stört an dem Zündfunk-Beitrag
die unhinterfragte Darstellung von Arbeit als höchstem Wert im Leben
eines Menschen.* Und die Darstellung von Arbeit als Garant für ein
sicheres Auskommen im Alter. So einfach ist es heute nicht mehr,
fürchte ich. Ich kenne Beispiele von Menschen, die ihr ganzes Leben
lang geschuftet haben und am Ende trotzdem nicht viel (Geld) haben.
Oder die nach ihrem Berufsleben vollkommen ausgebrannt sind und das,
was sie haben, überhaupt nicht genießen können. Ich habe gelesen
von Lebensversicherungen, die ein riesiges Verlustgeschäft sind und
nicht die sichere Bank, die sie einmal waren. Wer weiß, wann die
nächste Finanz- oder Wirtschaftskrise kommt und was sie mit uns
machen wird? Was ist heute noch sicher?
Das einzige, dessen wir uns sicher sein
können, ist der gegenwärtige Augenblick. Und dass die Zeit, in der
die Kinder so klein sind, nie wieder kommen wird. Und so genieße ich
die „arbeitsfreie“ Zeit, die mir durch das Elterngeld Plus
ermöglicht wird, gerade ganz bewusst, voraussichtlich ein volles
Jahr lang. Dann ist M.s Papa dran!
*Dass das viele junge Menschen heute
anders sehen, wird zum Beispiel hier erklärt.
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