Aus der Schublade: Daisy Sisters von Henning Mankell

Copyright: Der Hörverlag
Als ich gestern auf einem meiner Lieblingsblogs über "Daisy Sisters" gestolpert bin, ist mir eingefallen, dass ich dazu ja auch mal was geschrieben habe. Der folgende Text ist in meiner Studienzeit schon einmal im rezensöhnchen erschienen, aber er passt auch gut hierher, finde ich.

Wenn ein neues Buch des schwedischen Literaturstars Henning Mankell auf den Markt kommt, klingeln allerorts die Kassen. Ärgerlich nur, dass der neue ‹Wallander› vorerst nur in Schweden erschienen ist und die deutschen Verlage das Nachsehen haben. Allen Fans der schwedischen Unterhaltungsliteratur versüßt der Zsolnay Verlag diese Krimipause jedoch mit einer reizvollen Alternative: In den Tiefen des Mankell’schen Frühwerks stöberte der Verlag den bisher nicht ins Deutsche übertragenen Roman Daisy Sisters auf, der nun in einer gelungenen Übersetzung von Heidrun Hoppe vorliegt. Flankiert wird diese Veröffentlichung durch eine vom Hörverlag produzierte, gekürzte Lesung des Textes von Tatort-Komissar Axel Milberg.

Ende einer Jugend

Wer bei diesem achtstündigen Hörvergnügen jedoch spannende Krimiunterhaltung erwartet, wird enttäuscht sein: Ganz ohne Nervenkitzel erzählt Daisy Sisters die Geschichte zweier schwedischer Frauengenerationen vom Zweiten Weltkrieg bis in die 1980er Jahre: Im Sommer 1941 unternimmt die 16-jährige Elna mit ihrer besten Freundin eine Radtour an die schwedisch-norwegische Grenze. ‹Daisy Sisters› nennen sich die beiden Mädchen, die von einem unabhängigen Leben träumen. Doch die Begegnung mit zwei jungen Grenzsoldaten hat für Elna verheerende Folgen: Sie wird schwanger. Unter großen Entbehrungen zieht sie in den folgenden Jahren ihre Tochter Eivor auf, verbittert über die Einschränkungen, die das familiäre Leben mit sich bringt. Ende der 50er Jahre ist Eivor endlich so alt wie ihre Mutter damals. Sie will alles anders machen als Elna, aber ihr Leben scheint auf vorgezeichneten Bahnen zu verlaufen...

Die Frauenfiguren in diesem Roman wissen nicht, wie es in der Welt zugeht: Sie täuschen sich und lassen sich täuschen, sie ringen um ihre Freiheit und verbleiben doch in der Enge ihrer Verhältnisse. Dabei ist Mankell stets ganz bei seinen Heldinnen, deren Emanzipationsbemühungen unter seinem teilnehmenden Blick an Tragik gewinnen.

Gelungene Hörbuchadaption

Daisy Sisters ist sicher nicht Mankells stärkster Text. Die gesellschaftlichen Umwälzungen dieser Zeit stellen nicht mehr als eine Kulisse für die privaten Verirrungen der Figuren dar, die Handlung verläuft in schlichter Chronologie. Dennoch entfaltet Daisy Sisters in der Hörbuch-Fassung einen gewissen Reiz: Axel Milberg präsentiert die Geschichte in einem wunderbar unaufgeregten Ton, der sowohl die Schlichtheit der Übersetzung als auch die Unerfahrenheit der Figuren unterstreicht. Für alle, die sich mit schwedischen Frauen-Romanen a là Hannas Töchter anfreunden können, wird diese gut umgesetzte Generationen-Geschichte deshalb allemal eine genussreiche Zerstreuung sein.

Infos zum Hörbuch:
Henning Mankell
Daisy Sisters
Gelesen von Axel Milberg
München, Der Hörverlag
481 Minuten
14,99 Euro

Kommentare

  1. Oh ...! ;-) Du, ich werde deinen Beitrag hier gleich mal verlinken bei mir, ja? Der gefällt mir ja viel, viel besser als der anonymere zeitungs-Bericht (oder was das war), den ich als Link zu den Daisy Sisters gewählt habe... Ich mochte die Hörbuch-Fassnung einfach nur WAHNSINNIG gerne! Der Leser hat eine so unglaublich sensible, aber trotzdem nicht kitschige Art, den Text zu lesen- und wird niemals, niemals monoton dabei! Mich hat besonders fasziniert, zu "hören", wie schwierig es den Frauen dieses Romans immer wieder fällt, sich trotz den Kindern (die sie sich nicht gewünscht haben, die sie aber trotzdem über alles liebe) auch IHRE Träume zu verwirklichen. Sich selber treu zu bleiben, das Leben zu LEBEN, nicht vom Alltag als Mama gelebt zu werden... das sind auch Themen, die mich immer wieder einholen, und es berührt mich sehr, wie der Autor damit umgeht. Erstaunlich, dass ein Mann derart feinfühlig mit diesen Themen umgeht. Bewundernswert auch. Und bewegend.
    herzlich; Bora

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    1. Freut mich sehr, dass dir die Rezension gefällt! Es ist eine ganze Weile her, dass ich sie geschrieben habe und ich wusste erst gar nicht, ob ich sie überhaupt nochmal hervorziehen soll...
      Ja, ich mochte Axel Milberg als Vorleser auch sehr (obwohl sich bei den Themen eine Frau viel besser angeboten hätte). Aber er liest irgendwie so sensibel-zurückgenommen. Sehr angenehm :-)
      Liebe Grüße in die Schweiz!
      Teresa

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