The good Life

Mehr als ich in jedem Ratgeber oder Sachbuch lernen koennte, habe ich in den letzten 4 Wochen in einem abgelegenen Winkel von British Columbia, Kanada, gelernt. Ueber die Website www.wwoof.ca (Worldwide Working on Organic Farms) haben wir hierher gefunden. Das Prinzip ist einfach: Kanadier, die oekologischen Landbau betreiben, nehmen gegen Kost&Logis Freiwillige auf, die jeden Tag ein paar Stunden im Wald, auf dem Feld oder im Hof mit anpacken. Ein ganz wesentlicher Aspekt ist dabei der Austausch und die Weitergabe von Wissen rund um Organic Gardening & Farming.

Unsere Gastgeber der ersten Wochen waren ein absoluter Glueckstreffer. Das Ehepaar lebt mit seiner achtjaehrigen Tochter auf einem Berg in den West Kootenays `off the grid`: Ihren Strom gewinnen sie zu 100% aus Sonne und Wasserkraft, ihr Obst und Gemuese aus dem riesigen Garten. Es ist unglaublich, was dort – mitten im Wald - alles gedeiht: Erbsen, Bohnen, Tomaten, Gurken, Mais, Zwiebeln, Kartoffeln, Knoblauch, Spinat, Salat, Kuerbisse, Basilikum, Himbeeren, Erdbeeren, Aepfel, Birnen...Wir kamen mitten in der Haupterntezeit an und haben nicht nur beim Ernten geholfen, sondern auch bei der Weiterverarbeitung und Konservierung der gewonnenen Lebensmittel. Vieles wird eingeweckt, anderes getrocknet, wieder anderes eingefrohren. Was mich dabei mit am meisten fasziniert hat: Alles wird in dieser Familie verwertet. Uebrig gebliebenes Essen kombiniert sie bei der naechsten Malzeit geschickt mit anderen Speisen, Verdorbenes fressen die Huehner oder es wandert auf den Kompost, der im naechsten Jahr neue, fruchtbare Erde liefert. Verpackungen werden kreativ wiederverwendet, sodass sich der produzierte Muell auf eine sehr ueberschaubare Menge reduziert. Fuer mich ist das eine moegliche Antwort auf die masslose Verschwendung, die in den westlichen Gesellschaften zur Normalitaet geworden ist. Ich traute meinen Augen kaum, als ich letztes Jahr zum ersten Mal gesehen habe, wie viele Lebensmittel Muenchner Supermaerkte jeden Abend wegschmeissen. Das sind riesige Muelltonnen gefuellt mit frischem Salat, mit Tomaten, Joghurt, Nudeln und und und. JEDEN ABEND! Allein von dem `Muell` eines mittelgrossen Supermarktes koennten mehrere Familien leben. Das kann einfach nicht richtig sein.

Aehnlich muessen auch unsere kanadischen Gastgeber gedacht haben, als sie nach 20 Jahren Leben und Arbeiten in der Grossstadt aufs Land gezogen sind. Sie haben sich ein Stueck Wald gekauft, in dem nicht mehr stand als eine kleine Huette. Nach und nach haben sie sich ihr Leben dort aufgebaut, ein Holzhaus entworfen und selbst gebaut und immer mehr Flaeche bewirtschaftet. Gleichzeitig haben sie ihre (akademischen) Berufe weiter ausgeuebt, zum Teil im Homeoffice, zum Teil mit Praesenzzeiten im Buero. Das hat mich fasziniert: Wie das beides unter einen Hut geht! Die beiden haben einfach ihr eigenes System entwickelt, ganz bewusst. Und zeitgemaess irgendwie. Jedes der Familienmitglieder benutzt wie selbstverstaendlich sein Smartphone, es gibt auch mal Schokolade und Softdrinks, neben der Arbeit zu Hause bleibt immer Zeit fuer ausgedehnte Mountainbike- und Bergtouren mit den vielen, vielen Freunden der beiden. Viele Leute leben hier extrem abgelegen, scheinen dafuer aber umso geselliger zu sein. Jede Woche waren wir kollektiv irgendwo zum Abendessen eingeladen oder hatten Gaeste im Haus. Diese Familie war so angenehm normal und doch ganz und gar anders als alle Familien, die ich sonst kenne. Ich bin unglaublich dankbar, dass wir 4 Wochen lang eintauchen durften in dieses Leben. Ich habe dabei nicht nur gelernt, wie und wann man Gemuese erntet und auf natuerliche Weise konserviert, wie man Holz faellt und richtig weiterverarbeitet, wie man Samen fuers naechste Jahr gewinnt oder wie man baerensichere Zaeune baut; mindestens genauso lehrreich war es fuer mich zu sehen, wie zwei Menschen ihren ganz und gar eigenen Weg gesucht und gefunden haben. Auf die Frage hin, wie sie auf all die kreativen Ideen gekommen sind, woher sie eigentlich ihr Wissen haben, antworteten sie: `Learning by doing. Trial and Error`. Hinterher fiel ihnen dann doch noch eine Inspirationsquelle ein. Das Buch `Loving and Leaving the good Life` von Hellen Nearing. Dazu wird es hier sicher frueher oder spaeter auch noch einen Blogbeitrag geben ;-)


Copyright: Chelsea Green Publishing
Infos zum Buch:
Hellen Nearing
Loving And Leaving The Good Life
Vermont, Chelsea Green Publishing
228 Seiten 



Kommentare

  1. Wow, das tönt sehr inspirierend! Und eine tolle Idee auf diese Art Mitarbeiter anzuheuern! Danke fürs Teilen - ich bin gespannt auf die Buchrezension ;-)
    Ganz liebi grüäss, anja

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  2. Schon ganz lang hab ich deinen Beitrag gelesen und muss oft an ihn denken. Hast du nicht Lust am Blog mal noch ein bisschen mehr davon zu erzählen?
    Alles Liebe. maria

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