Leseförderung

Leseförderung halte ich für ein unglaublich spannendes Thema: Wie kann man Kinder spielerisch ans Lesen heranführen und für Bücher begeistern? Was bringt frühes (Vor-)Lesen überhaupt? Und welche Bücher sind dafür geeignet? Antworten auf diese Fragen gab es letzten Mittwoch in der Stadtbibliothek Schwabing bei einem interaktiven Vortrag von Christine Kranz, Referentin für Leseförderung bei der Stiftung Lesen. Besonders gefallen haben mir der Humor der Rheinländerin und ihr herrlicher Pragmatismus. Im Schweinsgalopp führte sie durchs Programm. Generelles zur Leseförderung und Buchtipps für die Kleinen und Kleinsten wechselten sich ab. Hier die aus meiner Sicht interessantesten Infos zusammengefasst:

Wann beginnt Sprach- und Leseförderung?
Mit der Geburt. Weinende Kinder beruhigt man am besten, indem man sie rumträgt und singt, das weiß jeder, der schon mal ein weinendes Baby auf dem Arm hatte. Oft fallen den Eltern dann die Lieder von früher wieder ein, die schönen Melodien und alten Reime. Das ist gut, sehr gut sogar. Denn insbesondere durch die Reime beginnt beim Kind, was man "phonologische Bewusstheit" nennt. Es entwickelt ein Gefühl für Sprache und Grammatik. Das funktioniert auch bei Fremdsprachen. Wer als Baby zum Beispiel auch französisch und englisch gehört hat, hat später in der Schule keine Probleme mit der Aussprache. Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass man Kinder von klein an mit einem Bildungsprogramm überfrachten sollte: Montags Frühchinesisch, dienstags Schwimmen, mittwochs Gewürzkränzchen binden etc. pp.: "Immer falsch ist: Trainieren. Immer richtig ist: Wahrnehmen, was um einen herum passiert und darüber sprechen," so Kranz. Zurück zum Babys-in-den-Schlaf-singen: Wer keine Kinderlieder und Reime mehr im Kopf hat, für den ist ein großes Lieder- oder Reimebuch Pflicht. "Schenken Sie keine Strampelhose zur Geburt, sondern ein Lieder- oder Reimebuch, das hält länger." Auch ältere Kinder mögen Reime, zum Beispiel Tischsprüche beim gemeinsamen Essen. Ideen dafür liefert beispielsweise das im Ernst Klett Verlag erschienen Bändchen Lirum Larum Lecker. Kinder LIEBEN das. O-Ton Kranz.

Wie bringt man Jungs zum Lesen?
Jungen lesen sach- und faktenorientierter als Mädchen. Ich dachte immer, das sei anerzogen: "Du bist ein Junge, hier nimm' dieses Sachbuch über Autos." Aber das stimmt nicht. Es gibt Studien, die zeigen, dass die Gehirne von Mädchen und Jungen, von Frauen und Männern unterschiedlich sind. Bei Mädchen ist der Teil größer, der fürs Emotionale zuständig ist. Entsprechend interessieren sich Mädchen bei Tarzan für die Liebesgeschichte mit Jane, Jungen für die Waffen - etwas überspitzt ausgedrückt. Es mag Ausnahmen geben :-). Wichtig ist, dass man Kinder in der Bücherei selbst aussuchen lässt, was sie ausleihen wollen, auch wenn sie zum 20. Mal das selbe Buch anschleppen. Wenn die Eltern immer besser wissen, was das Kind lesen soll, kann das wie ein Lesehemmer wirken. Gegen Bilderbücher wie Pfoten hoch! (ab 3), Comics wie Tim & Struppi (ab 8) und die japanischen Mangas ist überhaupt nichts einzuwenden, so Kranz. Starwars hält sie sogar für eine Pflichtlektüre für Jungs ab 7. Im Grunde sei die Geschichte doch wie ein Märchen aufgebaut, und meist sind es nur die Mütter, denen die Figuren nicht gefallen. Bei Lesemuffeln empfiehlt Kranz den Eltern und Pädagogen, Buchanfänge vorzulesen - wenn das Kind die Geschichte interessant findet, liest es selbst weiter. Auch Buchreihen sind für Lesemuffel ein Segen. Da fällt die Hürde weg, die man überlicherweise auf den ersten 20 Seiten nehmen muss, um in die Geschichte hineinzufinden.

Worauf ist beim Vorlesen zu achten?
Man muss nicht alles erklären, was Kinder nicht verstehen. Viel funktioniert über Bilder. Man erklärt dann, wenn das Kind fragt. Liest man abends mehreren Kindern unterschiedlichen Alters vor, eignen sich Bücher mit vielen Illustrationen. Dann haben die Kleinen was zum Schauen, während die Größeren der Geschichte folgen. Märchen sind für den Fall prima.

Wie sind digitale Trends im Kindermedienbereich einzuschätzen?
Den Tiptoi hält Kranz für eine sehr gute Ergänzung zur Sprach- und Leseförderung, zum Beispiel wenn die Geschichte deutsch - englisch erzählt wird. Keine Angst müssen die Eltern außerdem vor Bilderbuch-Apps haben. Wenn sie gut gemacht sind, erweitern sie spielerisch das, was im Buch ohnehin schon angelegt ist. Mehr dazu gibt's in einem Webinar der Stiftung Lesen ab Minute 29.30.

Siehe auch die Buchtipps im Rahmen des Leipziger Lesekompass.


Kommentare

  1. Sehr spannend, vielen Dank!
    Ganz liebi grüäss, anja

    AntwortenLöschen
  2. Ui, das freut mich! In dem Post steckt für meine Verhältnisse ein wenig viel Faktenwissen - und er ist ganz schön lang. Ich habe schon befürchtet, dass ihn kaum einer zuende liest :-)
    Liebe Grüße in die Schweiz!
    Teresa

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts